Navigation auf uzh.ch

Suche

Slavisches Seminar

Multilinguale Praktiken und die identitätsstiftende Funktion slavischer Sprachen im Deutschrap des 21. Jahrhunderts

Weiterführende Informationen

Toni der Assi - Wenn der Mantel fällt (2020)

„F**k die ganzen Lehrer
Ich hab' summa cum laude
Mein Hauptfach war Shisha
Mit Minze und Traube“

Capital Bra - Was 2? Hol 10! (Makarov Komplex (2017))

„Bras aus der Heimat
Bras, die ausrasten
Bras, die für gut Geld
Gut auf dich aufpassen 

Aber ich bin Ukrainer
Я убью за брата
Но тихо едешь
Дальше будешь
Говорит мне мама
Trotzdem brauch' ich Para“

Antifuchs - Antiheld (Willkommen im Fuxxxbau (2015))

„Meine Coolness kommt spontan
Sprachbegabt: Coño, was?
Сука блять! Kurwa mać! Dummer Spast!
Ungewarnt тебе лиса в морду даст!“

Deutschrap wird häufig mit Künstler*innen in Verbindung gebracht, deren Migrationserfahrungen oder die ihrer Familien eine zentrale Rolle bei der Textproduktion spielen. Diese Annahme ist berechtigt, da Rap-Formationen wie Advanced Chemistry (Heidelberg) und das Rödelheim Hartreim Projekt (Frankfurt am Main) bereits in den späten 1980er/frühen 1990er Jahren die Debatte über Migration, Herkunft und Zugehörigkeit in dem Genre anstießen. Die migrationsbedingte Mehrsprachigkeit in Rap-Texten entwickelte sich jedoch nicht zwangsläufig parallel zu dieser Debatte. Beginnend mit Einflüssen aus dem Englischen und Französischen kamen später Türkisch und Arabisch hinzu. Seit den frühen 2010er Jahren sind auch slavische Sprachen ein integraler Bestandteil des deutschsprachigen Raps. Hierbei stellen vor allem Sub-Genres Gangsta- und Street-Rap für die Sprachwissenschaft besonders relevante Kategorien dar, da die Texte in den Genres oft spontan und mündlich produziert werden sowie den Anspruch einer sogenannten street credibility erheben, bei der idealerweise ein authentisches kolloquiales Register zum Einsatz kommen und das lyrische Ich dem faktischen Ich entsprechen muss.   

Bereits vor dem kommerziellen Erfolg des Berliner Rappers Capital Bra (bürgerlich Wladislaw Balowazki) in den Jahren 2018/2019 gab es Rapper*innen mit einer slavisch-deutschen Sprachbiografie, z.B. Olexesh (bürgerlich Olexij Kosarev), Schwesta Ewa (bürgerlich Ewa Malanda) oder Toni der Assi (bürgerlich Toni Latinović). Der in Russland geborene und in der Ukraine sowie Deutschland aufgewachsene Capital Bra brachte jedoch nicht nur die slavischen Herkunftskulturen mit 13 Nummer-1-Charts-Hits in 12 Monaten in den Fokus des Genres, sondern machte auch Deutschrap endgültig zu einem Genre des popkulturellen Mainstreams.

Im Rahmen des Habilitationsprojekts von Aleksej Tikhonov sollen die Texte der populärsten Deutschrapper*innen aus jedem slavischen Zweig (Ost-, West-, Südslavia) korpuslinguistisch und stylometrisch analysiert werden. Im Zentrum dieser Untersuchung steht die Frage nach der Struktur und Funktionsweise der Mehrsprachigkeit dieser Texte sowie ihrer identitätsstiftenden Dimension unter besonderer Beachtung der slavischen Sprachen. Die ersten Pilotstudien (s. Publikationen) zeigen, dass die praktizierte Mehrsprachigkeit das Konzept einer Migrationsgesellschaft in eine postmigrantische Realität überträgt, in der neue hybride Identitätskonzepte verhandelt und definiert werden. Dabei erweitern die Konzepte die Vorstellung einer hierarchischen Sprachenkonstellation im multilingualen Kontext und beeinflussen nachhaltig die deutsche Jugendsprache. Die analysierten Texte sind besonders aufgrund ihrer hohen Frequenz an Code-Switching zwischen etwa zehn Sprachen außergewöhnlich und setzen das Konzept von Code-Switching an seine Grenzen, was die Frage nach einer sprachstatistisch messbaren Ausdifferenzierung zu Translanguaging aufwirft.

In der Projektkomponente zur Jugendsprache sollen YouTube-Kommentare vorwiegend von Vertreter*innen der Generation Z für den Vergleich herangezogen werden. Auf diese Weise werden die aus den Lyrics gewonnenen Ergebnisse verifiziert und das tatsächliche Auftreten slavischer Einflüsse auf morphologischer, syntaktischer und lexikalischer Ebene in spontan produzierten Äußerungen im Internetregister untersucht.

Publikationen

Wissenschaftskommunikation:

  • Hauptgast des Podcasts zum Thema “Russisch Rap in Deutschland”, X3-Podcast, Episode 31 (finanziert von dem Ministerium für Kultur und Wissenschaft (MKW) des Landes Nordrhein-Westfalen)https://spoti.fi/3jQntnY
  • Hauptgast im YouTube-video „Linguist erklärt Kasimirs Geschrei“, YouTube Kanal Izue!https://www.youtube.com/watch?v=Pzm0fnMC3wo
  • Квеля — язык русских немцев. „Квеля – это клево“!? Interview & Diskussionsrunde über den deutsch-russischen Sprachkontakt und die Mehrsprachigkeit bei den sog. Russlanddeutschen (Co-Gast: Moritz Gathmann), Телеканал OstWest:https://youtu.be/yIWem3Rz2mo